Ziele, Indikatoren und SDG-Monitoring
DNS-Indikatoren zu Spillover-Effekten
Indikatoren, die die Auswirkungen nationalen Handelns auf Menschen, Wirtschaft oder Umwelt auch im Ausland darstellen – sogenannte Spillover-Indikatoren – haben eine lange Tradition in der Nachhaltigkeitsberichterstattung der Bundesregierung. Bereits seit 2006 ist beispielsweise der Außenhandel mit den am wenigsten entwickelten Ländern (Indikator 17.3 (Externer Link)) als rudimentärer Spillover-Indikator in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) enthalten. Der Indikator zeigt die monetären Einnahmen dieser Länder durch Ausfuhren nach Deutschland, sagt aber nicht direkt etwas über die sozialen oder ökologischen Auswirkungen dieser Ausfuhren in diesen Ländern aus.
Grundsätzlich kann jede inländische Aktivität Fernwirkungen auf das Ausland haben – positive wie negative, gewollte wie auch ungewollte. Besonders der Außenhandel – sowohl bei Einfuhren als auch Ausfuhren – kann zu Spillover-Effekten führen. Einfuhren aus anderen Ländern zielen häufig auf die Nutzung von Ressourcen aus diesen Ländern oder die Kompensation der im Inland nicht vorhandenen Ressourcen ab.
Die Abschätzung von Spillover-Effekten fußt oft – insbesondere, wenn nicht nur einzelne, konkrete Güter betrachtet werden sollen – auf umfangreichen und komplexen Rechenmodellen. Zur gesamtwirtschaftlichen Abbildung dieser Effekte werden Input-Output-Rechnungen (IO-Rechnungen) herangezogen. Hierfür stehen entweder international vergleichsweise grob aufgelöste multiregionale Input-Output-Tabellen (MIRO) oder auch in Deutschland detaillierte Input-Output- und Aufkommens- und Verwendungstabellen zur Verfügung. Um diese Effekte bestmöglich abzubilden, kombiniert das Statistische Bundesamt Ergebnisse aus unseren nationalen IO-Rechnungen mit detaillierten globalen Materialflussinformationen.
Die aktuelle DNS umfasst vier Indikatoren, die auf eine Reduktion des Ressourcenverbrauches insgesamt – im In- und Ausland – durch die inländische Gesellschaft abzielen: die Gesamtrohstoffproduktivität (Indikator 8.1 (Externer Link)) sowie globale Umweltinanspruchnahme – gemessen an Rohstoffeinsatz, Energieverbrauch und CO₂-Emissionen – durch den Konsum privater Haushalte (Indikatoren 12.1.ba-bc (Externer Link)).
Die DNS enthält zudem Indikatoren, die menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in Lieferketten berücksichtigen. Hierfür werden keine direkten Auswirkungen von Produktion und Handel auf andere Länder gemessen, sondern der Anteil von Produkten oder Unternehmen dargestellt, die anerkannte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Hierzu zählen der Indikator 12.1.a (Externer Link) „Marktanteil von Produkten mit staatlichen Nachhaltigkeitssiegeln“ sowie die im Rahmen der Weiterentwicklung 2025 neu aufgenommenen Indikatoren 8.6 (Externer Link) „Freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen nach dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK)“ und 12.3.c (Externer Link) „Öffentliche Textilbeschaffung der Bundesregierung“.
Wie messen wir, ob die nationalen Targets on-track sind?
Unabhängiges Monitoring
Zum Stand der Nachhaltigkeitsindikatoren der DNS veröffentlicht das Statistische Bundesamt alle zwei Jahre einen Bericht. Die Bewertung (Externer Link) nimmt das Statistische Bundesamt unabhängig und in eigener Verantwortung vor. Auf globaler Ebene wurde mit der Resolution A/RES/70/1 die Schaffung der notwendigen statistischen Kapazitäten gefordert und die statistischen Ämter in der Interagency and Expert Group on SDG Indicators (IAEG-SDGs) mit der Entwicklung der Indikatoren zur Messung der Agenda 2030 beauftragt. Dies unterstreicht die Bedeutung der objektiven Überprüfung der Nachhaltigkeitsziele durch eine kompetente und fachlich unabhängige Instanz.
Warum brauchen wir nationale Targets und Indikatoren?
Die globalen Nachhaltigkeitsziele lassen sich nicht ohne Weiteres direkt auf Deutschland übertragen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Ein global angestrebter Zielwert kann in Deutschland schon erreicht sein.
Ein Beispiel ist das globale Target 3.1 mit dem SDG-Indikator 3.1.1 „Müttersterblichkeit“. Dieses Ziel sieht vor, die Müttersterblichkeit auf unter 70 je 100.000 Lebendgeburten zu senken. In Deutschland liegt dieser Wert aktuell zwischen 3 und 4. Das globale Ziel ist somit hierzulande bereits erfüllt und eignet sich daher nicht sinnvoll als nationales Ziel. Natürlich ist eine weitere Senkung der Müttersterblichkeit in Deutschland wünschenswert; sie hätte jedoch nur noch geringen Einfluss auf die Erreichung des globalen Zielwerts. Stattdessen können andere nationale Ziele, die beispielsweise auf die Unterstützung der Gesundheitssysteme der Länder mit hoher Müttersterblichkeit abzielen, besser und sinnvoller zur Erreichung des globalen Ziels beitragen – die Müttersterblichkeit weltweit auf unter 70 je 100.000 Lebendgeburten zu senken.
Ein weiteres Beispiel ist das globale Target 6.1 „Bis 2030 den allgemeinen und gerechten Zugang zu einwandfreiem und bezahlbarem Trinkwasser für alle erreichen“. Die Wasserversorgung in Deutschland ist im Wasserhaushaltsgesetz und in den Wassergesetzen der jeweiligen Bundesländer geregelt. Der Anschluss- und Benutzungszwang für die öffentliche Wasserversorgung gewährleistet die Versorgung von über 99 Prozent der Bevölkerung mit Trinkwasser. Das globale Ziel ist somit hierzulande bereits nahezu erfüllt und eignet sich daher nicht sinnvoll als nationale Zielsetzung. Einen Einfluss auf das globale Target kann Deutschland hingegen durch ein entsprechendes Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit leisten. Auf nationaler Ebene wird das Ziel daher durch den Indikator 6.2.a „Entwicklungszusammenarbeit für Trinkwasserversorgung“ abgebildet.
Weitere Targets betreffen Deutschland bereits aufgrund der Zielformulierung nicht, da Deutschland weder ein Entwicklungsland noch ein kleines Inselentwicklungsland (sogenanntes Small Island Developing Country) ist. Auch hier können nationale Indikatoren regelmäßig nur versuchen abzubilden, wie Deutschland die Zielerreichung innerhalb dieser Staaten unterstützt.
Des Weiteren gibt es für die globale Ebene sinnvolle Ziele und Indikatoren, die sich nicht eins zu eins aussagegleich auf die nationale Ebene übertragen lassen. So sind die beiden Indikatoren zum Rohstofffußabdruck und zur Materialentnahme aus der Umwelt zu Target 8.4 (und 12.2) auf globaler Ebene theoretisch identisch – auf nationaler Ebene jedoch nicht. An dieser Stelle antizipieren die Indikatoren der Agenda 2030 bereits die Notwendigkeit, ergänzende nationale Indikatoren zu entwickeln.
In anderen Fällen kann es Abweichungen aufgrund unterschiedlicher regionaler Standards und Bedürfnisse geben – wie zum Beispiel beim SDG-Indikator 6.3.1 „Anteil der sicher behandelten Haushalts- und Industrieabwässer“. Hier kommt es auf die nationalen Gegebenheiten an, ob internationale Standards als nationales Ziel angesehen werden können oder sollen und ob die globale Definition überhaupt national (noch) relevant ist oder national andere inhaltliche Schwerpunkte gesetzt werden sollten.
Entsprechend sind die DNS-Indikatoren kein Sub-Set der globalen Indikatoren, sondern eigenständige, auf die 17 Nachhaltigkeitsziele bezogene Indikatoren, die sich an der nationalen Ausgangslage und den nationalen Herausforderungen orientieren.
Um diesen Herausforderungen möglichst angemessen Rechnung zu tragen, bestehen viele globale Indikatoren mittlerweile aus umfangreichen Zeitreihen und Unterteilungen und sind somit im klassischen Sinne eigentlich keine Indikatoren mehr.
Ziel der Nachhaltigkeitsindikatoren
Die in der Agenda 2030 auf globaler Ebene sowie in der DNS in Deutschland dargestellten Nachhaltigkeitsindikatoren geben nur ausgewählte Einblicke in den Zustand und die Entwicklung einer Gesellschaft und ihrer Umwelt. Sie dienen im Wesentlichen der Kommunikation und der Messung einzelner, herausgehobener Ziele für ausgewählte wesentliche Bereiche. Weder die globalen Indikatoren der Agenda 2030 noch die Indikatoren der DNS können jedoch ein umfassendes Bild liefern. Die Indikatoren auf dieser Ebene können als Einstieg in die jeweils dahinterliegenden, sehr viel umfassenderen Monitoring- und Informationssysteme dienen, die eine notwendige, tiefergehende Analyse ermöglichen.
Informationsgrundlage
Nachhaltigkeitspolitik und die Transformation zu einer nachhaltigeren Gesellschaft benötigen neben Daten zu einzelnen Indikatoren weitere Quellen für eine vollständigere, problemadäquate Informationsbasis. Die Berücksichtigung von Sozial-, Umwelt- und Wirtschaftsbelangen innerhalb und über die Grenzen einzelner Politikbereiche hinweg erfordert verlässliche Informationen über komplexe, politikübergreifende Zusammenhänge. Diese Informationsbasis muss eine hohe themenübergreifende Kohärenz aufweisen, um nicht nur singuläre Probleme adressieren zu können. Sie soll als Grundlage dienen, um Treiber der Entwicklung zu identifizieren und Interdependenzen im angemessenen Umfang berücksichtigen zu können.
Internationale statistische Standards und Rahmenwerke – wie das System of National Accounts (Externer Link) (SNA) oder das System of Environmental-Economic Accounting (Externer Link) (SEEA) – bilden eine relevante methodische Grundlage für eine solche kohärente Informationsbasis. Bereits heute lassen sich hieraus zahlreiche Indikatoren ableiten. Deutschland ist seit Langem aktiv an der Entwicklung und Weiterentwicklung dieser Rahmenwerke beteiligt. Aus Gründen der Ressourceneffizienz ist es geboten, diese Standards zu nutzen und so eine nahtlose Integration der Nachhaltigkeitsberichterstattung in die bestehenden Systeme der amtlichen Statistik vorzunehmen. Ein weiterer Vorteil dieser Integration ist, dass sich Nachhaltigkeitsindikatoren und zusätzliche Informationen – die kein eigener Indikator sind – in diesen statistischen Berichtssystemen nahtlos ergänzen.
Denn nicht alle Informationen, die im Rahmen der Agenda 2030 benötigt werden, müssen auch ein Indikator sein. So ist aber gewährleistet, dass ein Indikator nicht alleine steht: Vielmehr bieten diese Rechensysteme die Möglichkeit, tiefergehende Informationen zu analysieren und durch ihre Kohärenz auch richtungssicher Treiber der Entwicklung und interdisziplinäre Einflüsse zu beurteilen.
Durch die auf nationaler wie auch internationaler Ebene bereits diskutierte Erweiterung der bestehenden Systeme werden sich zukünftig auch Indikatoren zu weiteren relevanten Themenfeldern wie Klimaanpassung, Biodiversität oder der Verschmutzungskrise ableiten lassen. Hiermit können gezielt bestehende Informationslücken geschlossen werden – etwa im Rahmen der Nationalen Wasserstrategie oder der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie.
Neue Datenquellen – wie Fernerkundungsdaten, Daten aus dem Verwaltungsvollzug oder aus Umweltmessnetzten – lassen sich technisch und methodisch in die bestehenden statistischen Gesamtrechnungssysteme integrieren. Erst durch diese Integration unterschiedlichster Ausgangsdaten können bestimmte Zusammenhänge sichtbar gemacht werden. Ein Beispiel hierfür sind die in Deutschland bereits umgesetzten und weiterentwickelten Ökosystemrechnungen (Externer Link).
Die für eine derartige Datenintegration erforderlichen Fähigkeiten unterscheiden sich deutlich von denen, die für die klassische Primärstatistik notwendig sind. Einerseits sind hierfür personelle Ressourcen zur konzeptionellen und methodischen Bearbeitung sowie erweiterte Kapazitäten zur Datenverarbeitung und -präsentation notwendig. Andererseits benötigt die amtliche Statistik einfachen Zugang zu bestehenden Ausgangsdaten, beispielsweise aus dem Verwaltungsvollzug. Hierfür bedarf es auf nationaler Ebene der Schaffung beziehungsweise Verbesserung der notwendigen rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen.
Wann sind Indikatoren on-track beziehungsweise off-track?
Zentraler Bestandteil des fachlichen Beitrags des Statistischen Bundesamts zur DNS ist die objektive Bewertung der Zielerreichung. Hieraus ergibt sich eine erste Einschätzung, ob ein Indikator auf dem Weg zur Zielerreichung (on-track) ist oder nicht (off-track).
Hierfür werden sehr einfache und gut nachvollziehbare Bewertungsmethoden genutzt, die ausschließlich anhand der historischen Entwicklung des Indikators eine Einschätzung treffen. Geschätzte Effekte politischer Maßnahmen auf die zukünftige Entwicklung des Indikators werden dabei nicht berücksichtigt. Es handelt sich also nicht um eine Prognose, sondern um eine Einschätzung, ob der Indikator bei gleichbleibender Entwicklung das politisch festgelegte Ziel zum nächsten angestrebten Zeitpunkt erreichen oder übertreffen würde. Ist dies der Fall oder ist die erwartete Abweichung zum angestrebten Zielwert sehr gering, gilt der Indikator als on-track.
Die politischen Zielvorgaben unterscheiden sich: So gibt es Ziele, die mindestens das Erreichen eines bestimmten Werts in einem bestimmten Jahr vorsehen; andere geben nur eine Entwicklungsrichtung oder das Einhalten bestimmter Ober- beziehungsweise Untergrenzen vor. Je nach konkreter Ausgestaltung des Ziels wurde die Bewertungsmethodik entsprechend angepasst.
Im Standardfall, in dem ein konkreter absoluter oder relativer Zielwert für ein bestimmtes Zieljahr vorliegt, wird zunächst anhand der letzten Datenpunkte der Durchschnitt der letzten jährlichen Veränderungen ermittelt. Dieser Durchschnittswert wird für die zukünftige jährliche Entwicklung bis zum Zieljahr unterstellt. Liegt mit dieser Annahme die voraussichtliche Abweichung vom Zielwert dabei unter 20 Prozent der Differenz zwischen aktuellem Wert und Zielwert, gilt der Indikator als on-track. Wird das Ziel im Zieljahr voraussichtlich um mehr als 20 Prozent verfehlt oder entwickelte sich der Indikator entgegen der Richtung des Ziels, wird er als off-track eingestuft.
Durch die vergleichsweise einfache Methodik können in Einzelfällen auch geringfügige Änderungen im Verlauf der Indikatoren zu einer geänderten Bewertung führen. Daher ist es ratsam, die Einstufungen jeweils im Kontext mit den Bewertungen vorangegangener Berichtsjahre zu betrachten. Nur so kann eingeschätzt werden, ob die Bewertung auf einen langfristigen generellen Trend des Indikators oder einen volatilen Verlauf und kurzfristige Veränderungen zurückzuführen ist.
Detaillierte Informationen zur nationalen Bewertung der Indikatoren im Rahmen der DNS können auf unserer Webseite (Externer Link) abgerufen werden.
Weiterführende Informationen
- Nationale Berichtsplattform zu den SDG-Indikatoren (Externer Link)
- Nationale Berichtsplattform zu den Indikatoren der DNS (Externer Link)
- Informationen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Externer Link)
- Umweltökonomische Gesamtrechnungen (Externer Link)
- Ökosystematlas (Externer Link)
- Statistisches Bundesamt (Externer Link)
Stand: 05.06.2025