3. Freiwilliger Staatenbericht Deutschlands zum HLPF 2025 (VNR)

VNR 2025 Beitrag von bezev – Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit

Maßnahmen, um „niemanden zurückzulassen“

Mit dem Positionspapier „Niemanden zurückzulassen“ braucht aufgeschlüsselte Daten! hatte bezev 2020 gemeinsam mit dem Deutschen Behindertenrat einen Beitrag zur Dialogfassung eingereicht. Da die damaligen Empfehlungen heute noch aktuell sind, greifen wir diese mit diesem Input erneut auf.

In der Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie hat die soziale Dimension der Nachhaltigkeit ein stärkeres Gewicht erhalten. Dennoch werden die geplanten Strategien und Maßnahmen dem Anspruch „Niemanden zurückzulassen“ nicht ausreichend gerecht, obwohl Menschen mit Behinderungen und Barrierefreiheit an einigen Stellen genannt werden. Die weiter bestehende und wachsende Ungleichheit betrifft Menschen mit Behinderungen im besonderen Maße. Nicht umsonst ruft der Call to Action der Political Declaration des SDG Summit 2023 dazu auf, die am meisten Benachteiligten, darunter Menschen mit Behinderungen, zuerst zu erreichen.

Während das Leitprinzip „Niemanden zurückzulassen“ in den Prinzipien und den Ansprüchen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie gut verankert ist, so fehlen doch die entsprechenden Maßnahmen, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Zudem finden sich diese nicht in den formulierten Zielen und Indikatoren wieder, die es zurzeit nicht ermöglichen festzustellen, ob tatsächlich alle Menschen erreicht werden beziehungsweise wer (aufgrund welcher Faktoren der Diskriminierung) in den unterschiedlichen Bereichen zurückgelassen wird. In Bezug auf dieses Leitprinzip zeigt die Dialogversion deutliche Lücken auf.

Zur Schließung dieser Lücken werden weiterhin die folgenden Maßnahmen empfohlen, um die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen national und international zu verringern:

  1. Deutschland besitzt eine international anerkannte Nachhaltigkeitsarchitektur und Nachhaltigkeits-Governance. Diese ist allerdings noch nicht dahingehend aufgestellt, benachteiligte Gruppen systematisch gemäß Absatz 74 g der Agenda 2030 zu erfassen. Die Indikatoren geben keinen Aufschluss darüber, ob auch benachteiligte Gruppen mit den formulierten Zielen erreicht werden. In den nationalen Indikatoren werden Menschen mit Behinderungen kein einziges Mal erwähnt, obwohl sich innerhalb der 231 globalen Indikatoren elf Indikatoren befinden, die Menschen mit Behinderungen benennen. Mit den nationalen Indikatoren trägt Deutschland zu den globalen Indikatoren bei und berichtet daher aufgrund der fehlenden Aufschlüsselung der Daten nicht zur Zielerreichung in Bezug auf Menschen mit Behinderungen.

    Um diese Lücke des fehlenden nationalen Monitorings zu schließen, sollte Folgendes geschehen:

    a. In einem ersten Schritt sollten dort, wo Daten existieren, wie zum Beispiel zu Indikator 4.1.a: „Frühe Schulabgänger (18- bis 24-jährige ohne Abschluss)“; 5.1.a: „Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern“; Indikator 8.5.a: „Erwerbstätigenquote insgesamt (20 bis 64 Jahre)“ nach dem Merkmal „Menschen mit Behinderungen“ disaggregiert werden. Der Indikator 17.1 „Anteil öffentlicher Entwicklungsausgaben am Bruttonationaleinkommen“ kann nach Einführung des OECD-DAC Policy Markers zu Inklusion seit 2024 disaggregierte Daten bereitstellen.

    b. Da die Datenlage der Nachhaltigkeitsziele in Bezug auf Menschen mit Behinderungen noch unzureichend ist, sollte die Nachhaltigkeitsarchitektur durch ein Gremium (zum Beispiel eine Kommission) ergänzt werden, das dazu beiträgt, die Datenlücken zu schließen (die UN-Statistikkommission hat dafür eine Arbeitsgruppe eingerichtet), sodass die Indikatoren der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie systematisch und durch international vergleichbare Daten ergänzt werden. Dieses Gremium sollte sich aus den Statistischen Ämtern der Bundesrepublik Deutschland (nationale und Länderebene), Verwaltung, Wissenschaft, Menschenrechtsinstitution und Zivilgesellschaft, einschließlich Selbstvertretungsorganisationen, zusammensetzen. Dieses Gremium könnte sich an den Menschenrechtsindikatoren des OHCHR orientieren, das diese zum Monitoring der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) entwickelt hat. Da zwischen den Nachhaltigkeitszielen und den Rechten von Menschen mit Behinderungen aus der UN-BRK vielfältige Überschneidungen bestehen, bieten sich diese Indikatoren als vorteilhaft an, da sie für das Monitoring von beiden internationalen Übereinkommen genutzt werden können.

    Der Arbeitsauftrag für das einzurichtende Gremium könnte breit angelegt werden, sodass neben Menschen mit Behinderungen auch Daten zu anderen Gruppen, die benachteiligt werden, aufgeschlüsselt erfasst werden können.

  2. Auch in Deutschland sehen sich Menschen mit Behinderung noch systemischen Benachteiligungen ausgesetzt. Dies betrifft insbesondere das Bildungssystem, Beschäftigung und Arbeit, Gesundheit und eine barrierefreie Infrastruktur. Unter Berücksichtigung der Abschließenden Bemerkungen des UN-Fachausschusses über den zweiten und dritten Staatenbericht Deutschlands sollten konkrete Maßnahmen zur Überwindung der Benachteiligungen in die Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen werden. So könnte zum Beispiel ergänzt werden, dass Mobilität und Bauen in Deutschland nicht nur nachhaltig, sondern grundsätzlich auch barrierefrei erfolgen soll. Für das Bildungsziel (SDG 4) sollte eine Strategie mit einem Zeitplan, Zielen und Indikatoren aufgenommen werden, um in allen Bundesländern den Zugang zu einem qualitativ hochwertigen inklusiven Bildungssystem zu schaffen.

Die Bundesregierung wird vom 2. bis 3. April 2025 den Global Disability Summit ausrichten. Bei diesem steht der Abbau von Ungleichheiten und eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an allen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bereichen im Mittelpunkt.

Strategien zur Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen brauchen ein gutes Monitoring, um die Lücken zu identifizieren und mit gezielten Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Lebenssituation beizutragen.


Siehe auch