3. Freiwilliger Staatenbericht Deutschlands zum HLPF 2025 (VNR)

VNR 2025 Gemeinsamer Beitrag von GPF Europe, CoRA, Initiative Lieferkettengesetz, Treaty Alliance Deutschland und VENRO

Verbindliche Unternehmensregeln für Menschenrechte und Nachhaltigkeit – Grundbedingung für die Verwirklichung der Agenda 2030

Zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen in Deutschland engagieren sich für eine Welt, in der wirtschaftliches Handeln dem Wohl der Menschen dient und die sozialökologische Transformation zu Nachhaltigkeit und globaler Gerechtigkeit handlungsleitend ist. Sie fordern, dass Staaten Menschenrechte, Umwelt und Klima im Zusammenhang mit globalem Wirtschaften konsequent schützen und Unternehmen gemäß internationalen Konventionen entsprechend konsequent regulieren.¹ Unternehmen, die Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden (mit-)verschulden, müssen zur Verantwortung gezogen werden und Geschädigte Gerechtigkeit erfahren. Staaten müssen hierfür verbindliche rechtliche Grundlagen schaffen und entlang globaler Wertschöpfungsketten wirksam durchsetzen. Dies ist auch eine Grundbedingung für die Verwirklichung der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens.

Bereits im Jahr 2006 haben sich über 60 Organisationen aus den Bereichen Menschenrechte, Entwicklung, Umwelt- und Verbraucherschutz sowie Gewerkschaften zum CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung (Externer Link) zusammengeschlossen. 2019 hat sich die Initiative Lieferkettengesetz (Externer Link) gebildet, ein zivilgesellschaftliches Bündnis von mehr als 130 Organisationen, das sich für wirksame Lieferkettengesetze in Deutschland und der EU eingesetzt hat.

Für sie ist das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das am 1. Januar 2023 in Kraft trat, ein wichtiger Etappenerfolg, auch wenn es einige gravierende Schwächen aufweist: Das Gesetz umfasst zu wenige Unternehmen, erfasst die nachgelagerte Lieferkette und damit die Kerngeschäfte der Finanz- und Rüstungsindustrie nicht und macht zu viele Ausnahmen bei den Sorgfaltspflichten. Es verweigert Betroffenen den Anspruch auf Schadensersatz und enthält keine effektiven Maßnahmen zum Klimaschutz in Lieferketten.² Auch bei der Förderung der Geschlechtergerechtigkeit besteht im Gesetz Nachbesserungsbedarf (Externer Link).

Die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), die am 25. Juli 2024 in Kraft getreten ist, brachte an einigen Stellen Fortschritte: Sie geht insbesondere im Bereich der zivilrechtlichen Haftung über das bestehende deutsche Gesetz hinaus: Bei Menschenrechtsverletzungen, die eindeutig von Unternehmen verursacht wurden, erhalten Betroffene zukünftig die Möglichkeit, vor Gerichten in der EU Schadenersatz zu verlangen. Außerdem wurde der Rechtskatalog einzuhaltender Rechtsgüter ausgeweitet, darunter auch die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen – was bedeutet, dass die spezifischen Rechte von Kindern nun auch in den Sorgfaltspflichten beachtet werden müssen. Die Bundesregierung muss das LkSG an diesen Stellen nachschärfen. In anderen Punkten bleibt die EU-Richtlinie hinter dem deutschen Gesetz zurück: So erfasst sie Unternehmen nur, wenn sie mehr als 1.000 Mitarbeiter*innen beschäftigen und einen Jahresumsatz von mehr als 450 Millionen Euro aufweisen – eine Schwelle, die im deutschen Gesetz nicht vorgesehen ist.³ Zudem sind die Kerngeschäfte von Finanzunternehmen explizit ausgenommen.

Die zivilgesellschaftlichen Bündnisse erwarten von der Bundesregierung und dem Bundestag eine zeitnahe, europarechtskonforme und ambitionierte Überführung der CSDDD in deutsches Recht, die das bereits bestehende Schutzniveau des LkSGs nicht schwächt. Ziel muss sein, ein hohes Niveau für den Schutz der Menschenrechte, des Klimas und der Umwelt herzustellen. Mit großer Sorge sehen sie vor diesem Hintergrund Versuche einiger politischer Akteure in Deutschland und auf EU-Ebene, die bestehenden und schon beschlossenen Regulierungen aufzuschieben, abzuschwächen oder zu revidieren. Dies wäre ein Schlag gegen Menschenrechte und Nachhaltigkeit.

Weiterhin erwarten zivilgesellschaftliche Bündnisse von Bundesregierung und Bundestag, dass Deutschland nun auch auf globaler Ebene den UN-Treaty-Prozess für ein verbindliches Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten aktiv unterstützt. Es sollte sich mit eigenen Stellungnahmen in die Verhandlungen einbringen, um ein ambitioniertes Abkommen zu erzielen, das den internationalen Menschenrechtsstandards entspricht und über LkSG und CSDDD hinausgeht.

Ein global verbindliches Abkommen muss Betroffenen sicher und einfach den Rechtsweg ermöglichen, weitreichende Klima- und Umweltschutzstandards enthalten und alle Unternehmen inklusive der Finanz- und Versicherungsbranche einschließen. Die Bundesregierung sollte sich dabei insbesondere für die starke Verankerung von Kinderrechten und Geschlechtergerechtigkeit, aber auch gesundheitlichen Kriterien wie dem Schutz vor gefährlichen Chemikalien entlang der gesamten Lieferkette einsetzen. Zudem sollte die Bundesregierung sich für eine finanzielle Stärkung des UN-Treaty-Prozesses einsetzen und Regelungen unterstützen, die den Einfluss von Interessenvertreter*innen der Privatwirtschaft auf die Verhandlungen streng begrenzen. Deutschland sollte den UN-Treaty-Prozess im Rahmen der EU konstruktiv vorantreiben und auf ein umfassendes und partizipatives EU-Verhandlungsmandat hinwirken.

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Fußnoten

1) Siehe insbesondere https://www.ohchr.org/en/core-international-human-rights-instruments-and-their-monitoring-bodies (Externer Link) und https://www.ilo.org/international-labour-standards/conventions-protocols-and-recommendations (Externer Link).

2) Eine Analyse des LkSG der Initiative Lieferkettengesetz findet sich hier auf Deutsch (Externer Link) und auf Englisch (Externer Link).

3) Eine Kurzbewertung der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) durch die Initiative Lieferkettengesetz findet sich hier (Externer Link).

4) Ein von Germanwatch und Oxfam veröffentlichtes Rechtsgutachten (Externer Link) kommt zu dem Schluss, dass das im jeweiligen Land bereits bestehende Schutzniveau im Zuge der Umsetzung der CSDDD nicht abgesenkt werden darf. In Deutschland darf also das Schutzniveau des nationalen Lieferkettengesetzes durch die EU-Lieferkettenrichtlinie nicht geschwächt werden. So wäre es etwa europarechtswidrig, die Anzahl der vom deutschen Gesetz erfassten Unternehmen mit Verweis auf die Richtlinie zu reduzieren.

5) Stellungnahmen der Treaty Alliance Deutschland sind hier (Externer Link) abrufbar.