VNR 2025 Gemeinsamer Beitrag des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE), des SDSN Germany, des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU), des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)
Die Agenda 2030 ist als globaler Orientierungsrahmen und Handlungsauftrag inmitten multipler Krisen und Umbrüche wichtiger denn je: Sie verpflichtet alle Länder und betont deren Kooperationen. Sie bezieht sich auf die Menschenrechte und weltweite Entwicklung in einem globalen Konsultationsprozess. Dies verleiht ihr Legitimität. Aktuelle Analysen zeigen, dass die Anstrengungen deutlich verstärkt werden müssen, um die Erreichung der Ziele bis 2030, die auch noch einmal im Pact for the Future konkretisiert werden, sicherzustellen. Gleichzeitig kommen aufgrund technischer, gesellschaftlicher und geopolitischer Entwicklungen weitere Herausforderungen hinzu, die aufgenommen und berücksichtigt werden müssen. Inhaltlich sollte eine Beyond-2030-Agenda die Nachhaltigkeitsziele weiterhin intensiv verfolgen, um die erreichten Ziele langfristig zu sichern und die bisher verfehlten noch zu erreichen.
Für die Zeit ab 2030 schlagen wir die Weiterentwicklung der SDGs um die folgenden Punkte im Rahmen einer Transformationsagenda vor:
- Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI):
Es gilt, die disruptive Kraft der Digitalisierung für die Nachhaltigkeitstransformation positiv einzusetzen. KI bietet Potenzial für die Lösung globaler Herausforderungen, wie die Optimierung von Ressourcen oder Frühwarnsystemen für Naturkatastrophen. Um Missbrauch und Risiken für Individuen und demokratische Gesellschaften, Ungleichheit und Diskriminierung, Machtkonzentration, Überwachung oder Manipulation der Medien und der öffentlichen Meinung zu minimieren, braucht es globale Governance-Strukturen, Transparenz, ethische Leitlinien, klare Gesetze und den Ausbau öffentlicher digitaler Infrastrukturen. - Nachhaltige Finanzierung einer nachhaltigen Entwicklung:
Neben öffentlichen Mitteln ist die Mobilisierung privater Investitionen entscheidend. Innovative Finanzierungsinstrumente wie grüne Anleihen, Steueranreize und Public-Private-Partnerships können Kapital für nachhaltige Projekte freisetzen. Länder niedrigen und mittleren Einkommens benötigen besondere Unterstützung durch internationale Fonds und Absicherungssysteme. Es bedarf einer grundlegenden Reform der internationalen Finanzarchitektur inklusive einer Reform des Schuldensystems und des Aufbaus eines Staateninsolvenzsystems sowie solidarischer Steuersysteme. - Bekämpfung globaler und innerstaatlicher Ungleichheit:
Die Verringerung wirtschaftlicher, sozialer und gesundheitlicher Disparitäten sowie auch ungerechter Folgen von Umweltschäden, inklusive Klimaschäden, erfordert unter anderem Steuerreformen, die Förderung von Bildung und Chancengleichheit sowie den Abbau von Handelsbarrieren für ärmere Länder. Eine Stärkung von Frauenrechten und Minderheiten sowie der Zugang zu internationalen Märkten sind essenziell. - Pandemieprävention und planetare Gesundheit:
Kumulative Ursachen von Umwelt-, Sozial- und Gesundheitsproblemen und mögliche Synergien bei ihrer Lösung sowie die Rolle gesunder Lebensverhältnisse sollten stärker berücksichtigt werden. Globale Monitoringsysteme, Investitionen in Forschung und Forschungspartnerschaften sowie ein gerechter Zugang zu medizinischen Ressourcen sind notwendig, um Gesundheitskrisen vorzubeugen. Lokale Gesundheitsinfrastrukturen müssen gestärkt und internationale Kooperationen ausgebaut werden. - Integrierte Ansätze für Wasser- und Landnutzung:
Ein nachhaltiger Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen an Land und im Meer erzeugt positive Wechselwirkungen mit allen anderen SDGs. Nutzungs- und Schutzaspekte sollten auf allen Flächen und in allen Teilen der Wasserkreisläufe nachhaltig miteinander verzahnt werden. Insbesondere bedarf es einer Integration der Bodenfeuchte als Schutzgut in das Wasserrecht sowie ein grenzüberschreitendes, klimaresilientes Wassermanagement. - Zirkuläres Wirtschaften:
Kreislaufwirtschaftsmodelle sollten durch verschiedene Instrumente gefördert werden. Unternehmen und Verbraucher:innen müssen dabei unterstützt werden, ressourcenschonende Praktiken zu etablieren. Die Entwicklung globaler Standards für Kreislaufwirtschaft würde den internationalen Handel und die Zusammenarbeit fördern. Insbesondere in der öffentlichen Beschaffung müssen Rezyklate und kreislaufgerechte Produkte zum Standard werden. - Verbesserte Messbarkeit und Indikatoren:
Einheitliche Indikatoren und Echtzeit-Daten sind entscheidend, um Fortschritte messbar zu machen und Herausforderungen frühzeitig zu identifizieren. Hierzu zählt auch die Messung sogenannter Spillover-Effekte, durch die die Konsum- und Produktionsstrukturen eines Landes die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele in anderen Ländern erschweren. Zudem bedarf es neuer Wohlstandsindikatoren, die nicht-monetäre Aspekte besser abbilden. Transparenz und Rechenschaftspflicht sollten durch unabhängige Institutionen (insbesondere nationale Statistikämter) und zivilgesellschaftliches Engagement gestärkt werden.
Um die künftige Nachhaltigkeitsagenda zu untermauern, sollten die Bildung für nachhaltige Entwicklung gestärkt, die Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Unternehmen und Gesellschaft gefördert sowie lokale oder kommunale Lösungen unterstützt werden. Das Momentum zur Umsetzung der Agenda bis 2030 kann aufrechterhalten werden, wenn eine Aussicht auf ihre Weiterentwicklung über das Jahr 2030 hinaus besteht. Dafür sollten bereits jetzt Diskursräume und Akteursstrukturen auf multilateraler, regionaler und lokaler Ebene ausgebaut werden, in die auch wichtige Umsetzungsakteure wie multilaterale Finanzinstitutionen eingebunden werden.
Europa und Deutschland sollten eine globale nachhaltige Entwicklung als strategische Priorität betrachten und durch Bildung von wehrhaften Allianzen auf allen Kontinenten verfolgen, um soziale Polarisierung, Autokratisierung und Geopolitisierung zu verhindern und sich zugleich gemeinsam den globalen ökologischen und ökonomischen Herausforderungen zu stellen.