3. Freiwilliger Staatenbericht Deutschlands zum HLPF 2025 (VNR)

VNR 2025 Gemeinsamer Beitrag von wpn2030 und SDSN Germany

Transformation in, mit und durch Deutschland (Beirätedialog 2024 II) – Impulse für den freiwilligen Bericht Deutschlands zum Hochrangigen Politischen Forum der Vereinten Nationen 2025

Der SDG-Fortschrittsbericht 2023 (Externer Link) empfiehlt, die Wissenschaft umfassender einzubinden. Unter anderem sollen so integrierte Politiken und Maßnahmen identifiziert werden, mit deren Hilfe die SDGs beschleunigt umgesetzt werden können. Auch der zweite deutsche Staatenbericht (Externer Link) konstatierte als „Lesson Learned (Externer Link)“, die Expertise nichtstaatlicher Akteure zukünftig besser in die Berichtserstellung einbinden zu wollen. Der Beirätedialog (Externer Link) beteiligte sich daher im Dezember 2025 mit einer spezifischen Sitzung am deutlich umfangreicheren Konsultationsprozess zum dritten Staatenbericht.


Synthese der Ergebnisse

In drei Arbeitsgruppen wurden zur Veranstaltung die folgenden Fragen diskutiert:

  1. Welche Best-Practice-Beispiele für eine beschleunigte und integrierte Transformation sollten durch den VNR aufgegriffen und für das internationale Peer Learning präsentiert werden?
  2. Welche Herausforderungen, zum Beispiel in den Off-track-Bereichen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, sollten benannt werden, für deren Bewältigung Deutschland um Partner und globale Kooperationen werben sollte?

Zentrale Punkte aus den Diskussionen werden im Folgenden in drei Impulsen zusammengefasst:

Mit digitalen Technologien die Transformation beschleunigen

Der Zukunftspakt (Externer Link), der globale Digitalpakt (Externer Link) sowie die im letzten Jahr angenommene Resolution der Vereinten Nationen mit dem Titel „Seizing the opportunities of safe, secure and trustworthy artificial intelligence systems for sustainable development (Externer Link)“ (A/RES/78/265) rufen die Mitgliedsstaaten dazu auf, zukünftig noch deutlich stärker digitale Technologien und künstliche Intelligenz für eine beschleunigte Umsetzung der Agenda 2030 zu nutzen.

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen diskutierte bereits in seinem Jahresgutachten 2019 „Unsere gemeinsame digitale Zukunft (Externer Link)“ die Potenziale und Herausforderungen der Digitalisierung für nachhaltige Entwicklung. In den Arbeitsgruppen wurden weitere aktuelle Beispiele für erfolgreiche und erfolgsversprechende Ansätze benannt, durch die Deutschland nachhaltige Entwicklung mit digitalen Lösungen und Innovationen bereits vorantreibt und zukünftig noch stärker vorantreiben könnte.

Beispielsweise löst seit Anfang 2023 die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) das bisherige Verfahren der Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) zweistufig ab, wodurch Arztpraxen, erkrankte Arbeitnehmende und deren Angehörige, die Arbeitgeber und Krankenkassen entlastet werden (SVR Gesundheit und Pflege (Externer Link)).

Andere Ansätze wie zum Beispiel der digitale Produktpass oder ressourcenschonende Präzisionstechnologien und effizientere Züchtungen im Pflanzenanbau im Agrar- und Ernährungssektor (WBAE (Externer Link), EFI, ff. S. 50) sind teils noch zukunftsweisend, da sie bislang in Deutschland noch nicht durch verpflichtende Standarddatensätze oder zentrale Datenbanken institutionalisiert sind.

Besonders zu zukunftsweisenden Ansätzen und Lösungen sollte Deutschland frühzeitig mit anderen Mitgliedsstaaten in den Austausch treten, um das Potenzial dieser Technologien und digitalen Lösungen für die Transformation in den unterschiedlichen Sektoren von Anfang an synergetisch heben zu können (SRU (Externer Link), SVR Verbraucherfragen (Externer Link)).

Transformation gemeinsam gestalten

Einem „whole-of-society“-Ansatz folgend, bedarf die Governance der Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer SDGs der Teilhabe von Stakeholdern und Bürger:innen, sowohl durch Mitbestimmung als auch durch Mitgestaltung.

Deutschland hat bereits umfangreiche Erfahrungen in der Aushandlung von integrativen Transformationspolitiken und -Maßnahmen unter Beteiligung von Expert:innen, Bürger:innen und Stakeholdern gemacht. Auf nationaler Ebene reichen diese Erfahrungen von der Einrichtung von Enquete-Kommissionen (Externer Link) in 1970, mit dem Ziel der Konsensfindung zu übergreifenden Herausforderungen (vgl. Schmittner, 1972 (Externer Link)) bis hin zum ersten Bürgerrat des Deutschen Bundestages (Externer Link), der zu dem Thema „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ gegründet wurde und seine Empfehlungen am 20. Februar 2024 in Form eines Bürgergutachtens übergeben hat.

Deutschland hat schonmal ein solches Instrument zur Beteiligung von Bürger:innen und Stakeholdern an der Entwicklung und Umsetzung von integrativen Transformationspolitiken und -Maßnahmen im Rahmen des HLPF vorgestellt. In einem gemeinsam von Deutschland, Chile und der Internationalen Arbeitsorganisation organisierten Side-Event zum Thema „Just transition, but how? (Externer Link)“ wurden Erfahrungen mit der Kohlekommission (Externer Link) in Deutschland geteilt.

In den Arbeitsgruppen wurden von den Ratsvertreter:innen zahlreiche weitere aktuelle Beispiele für erfolgreiche und erfolgversprechende Beteiligungen von Expert:innen, Bürger:innen und Stakeholdern an der Entwicklung und Umsetzung integrativer Strategien genannt:

  • Deutsche Eiweißpflanzenstrategie, zum Beispiel über das Dialogforum „Nachhaltigere Eiweißfuttermittel“ und das Forum „Deutsche Agrarforschungsallianz“ (WBBGR)
  • Deutsche Wasserstrategie (WBGU)
  • Deutsches Flächenverbrauchsziel (Beirat Raumentwicklung beim BMWSB)
  • Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) (SRU)

Aufbauend auf der Empfehlung des Globalen Nachhaltigkeitsberichts 2023 (Externer Link) an die Mitgliedsstaaten, auf allen Ebenen die Kompetenzen und Kapazitäten zur Aushandlung von integrativen Transformationsmaßnahmen und Politiken auszubauen, könnte die Bundesregierung dieses Thema erneut aufgreifen und diskutieren, wie durch Beteiligungs- und Mitbestimmungsformate Synergien identifiziert und Zielkonflikte ausgehandelt werden können, zum Beispiel die durch integrative Förderprogramme und -Strategien adressierten Verteilungsfragen oder Flächenkonkurrenzen. Dabei sollte die Bundesregierung aber auch selbstkritisch reflektieren, warum manche Vorschläge und Wahlversprechen zur Auflösung von Zielkonflikten, wie zum Beispiel das Klimageld, nicht umgesetzt wurden (SVR Verbraucherfragen).

Die Wirkung von Beteiligungsformaten und Initiativen sollte hierbei vergleichend und auf Grundlage wissenschaftlicher Forschung betrachtet werden. Da integrative Politiken und Maßnahmen zur Umsetzung der Agenda 2030 zunehmend die Aushandlung grundlegender Aspekte der Daseinssicherung umfassen, zum Beispiel erschwinglichen Wohnraum, Nahrungsmittel und Energie, sollte die Wirkung dieser Instrumente nicht einfach vorausgesetzt werden. Die zum Beirätedialog gesammelten Beispiele für Beteiligungsformate könnten eine Grundlage für einen Austausch mit Regierungsvertrer:innen und zivilgesellschaftlichen Akteuren bieten, zum Beispiel aus den Partnerländern der EU im Abkommen des Mercado Común del Sur (Mercusor-Abkommen (Externer Link)).

Integrierte Umsetzungsmaßnahmen und Politiken erfordern integrierte Daten

Nicht erst die Auswirkungen der Pandemie auf die Umsetzung der Agenda 2030 haben gezeigt, dass Bildungs- und Gesundheitsdaten durch weitere Daten ergänzt werden müssen, um integrative Politiken und Maßnahmen, zum Beispiel im Rahmen von Ansätzen, wie dem „Health in All Policies“-Ansatz (HiaP), für eine nachhaltige Entwicklung in, mit und durch Deutschland zu ermöglichen (SVR Gesundheit und Pflege (Externer Link)). Wissenschaftliche Beratung integrativer Politiken und Maßnahmen zur beschleunigten Umsetzung der Agenda 2030/SDGs erfordert sowohl die integrative Erhebung von Daten, zum Beispiel durch langfristig angelegte Haushaltsmonitorings (SVR Verbraucherfragen), als auch eine Integration bestehender Daten (Rat SWD).

Anders als viele Länder im Globalen Süden, verfügt Deutschland bereits über umfassende Daten. Defizite bestehen aber weiterhin in der Integration dieser Daten (Rat SWD). Deutschland sollte diese Defizite besonders mit Blick auf Gesundheits- und Bildungsdaten durch Peer-Learning und Kooperationen mit anderen Mitgliedsstaaten adressieren (zum Beispiel über das German Data Forum (Externer Link)). Die Vergleichbarkeit von Daten ist hierfür sehr wichtig, da zum Beispiel Bildungsdaten in Deutschland und anderen föderalen Mitgliedsstaaten oft für einzelne Bundesländer unterschiedlich erhoben werden.

Im Gesundheitsbereich hat Deutschland beispielsweise mit dem im Frühjahr 2024 in Kraft getretenen Gesundheitsdatennutzungsgesetz (Externer Link) einen großen Fortschritt in diese Richtung gemacht. Da dieses und weitere Gesetze zur Beförderung einer integrativen Datenerhebung und Nutzung in Deutschland aber noch relativ neu sind, könnte die Bundesregierung hierzu zukünftig weitere Kooperationen anstreben. Mit Blick auf die integrative Erhebung und Nutzung von Gesundheits- und Bildungsdaten böten sich aufgrund der Vergleichbarkeit Kooperationen mit Mitgliedsstaaten, wie zum Beispiel Großbritannien und den skandinavischen Ländern an.

Ausblick: Transformation in, mit und durch Deutschland

Wissenschaftlicher Konsens zur Sinnhaftigkeit eines stärker integrativen Vorgehens ersetzt nicht die notwendigen demokratischen Aushandlungsprozesse über damit verbundene Zielkonflikte. Integrierte Science-Policy-Formate, wie der Beirätedialog, können jedoch die Sichtbarkeit und breite Auseinandersetzung der Wissenschaft mit der Agenda 2030 befördern und sie darin unterstützen, politische Aushandlungsprozesse zielgerichtet mit wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen zu informieren. Die Ko-Vorsitzenden der wpn2030 und von SDSN Germany wiesen zum Abschluss des Beirätedialogs 2024 II auf die Hindernisse hin, die es hierfür zu überwinden gilt: Zunehmender Populismus und Wissenschaftsfeindlichkeit, insbesondere im Kontext eines polarisierten Wahlkampfes, erschwerten es, ein breites „Gehör“ für die wissenschaftliche Beratung zu finden. Der Wissenschaft muss es gelingen, konkretere Handlungsempfehlungen überzeugend zu formulieren. Entsprechend priorisiert der Internationale Wissenschaftsrat (Externer Link) in 2025 erneut das Thema „Synthesizing and translating scientific knowledge to inform decision-making (Externer Link)“.

Wir empfehlen daher, bei der Präsentation des Staatenberichts den wissenschaftsbezogenen Aspekt des diesjährigen HLPF-Themas aufzugreifen („science- and evidence-based solutions“) und die eigenen Erfahrungen mit integrativen Science-Policy-Formaten in den Peer-Learning-Austausch mit anderen Regierungen und deren Beratungsgremien und Wissenschaftsorganisationen einzubringen.